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Andrax 1: Experiment des Grauens  Drucken E-Mail
Comics: Sonstiges Fantasy & Sci-Fi
Geschrieben von Manuel Tants   
Donnerstag, 16. April 2009

Andrax 1: Experiment des Grauens

Zeichner: Jordi Bernet

Reihe: Andrax
1. Band der Reihe

Verlag: Cross Cult
Format: Hardcover
Erschienen: Oktober 2007
ISBN: 978-3-936480-75-7
Preis: 18,00 EUR

144 Seiten
Inhalt
8.0
Zeichnungen
8.0
Verarbeitung
9.0
Preis/Leistung
8.0
Gesamtwertung
8.1

Wertung:
8.1
von 10
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Zum Inhalt:

Andrax, mit bürgerlichem Namen Michael Rush, ist Zehnkämpfer und tritt erfolgreich bei den Olympischen Spielen in Montreal im Jahr 1976 an. Doch dann wird er gefangen genommen und während eines grauenerregenden Experiments in einen Tiefschlaf versetzt, aus dem er erst 2000 Jahre später wieder erwacht. Eigentlich sollte er in einer perfekten Zivilisation aufwachen, doch das bleibt ein Wunschtraum. Die Welt der Zukunft ist ein Zerrbild der Gegenwart. Viele Arten wurden ausgelöscht, andere gefährliche Kreaturen sind neu entstanden ... hat ein atomarer Krieg die Erde verwüstet? Nur mit einem Schwert und dem Wissen aus seiner Zeit bewaffnet, muss sich Andrax durch ein gefährliches Leben kämpfen und versuchen, das Geheimnis zu ergründen.

Meinung:

Um die Urheber- und Veröffentlichungsrechte an der deutsch-spanischen Koproduktion "Andrax", die ab 1972 für den Kauka-Verlag geschaffen wurde, gab es in den vergangenen 35 Jahren diverse Streitigkeiten. Doch inzwischen kam es zu einer Einigung und der Cross-Cult-Verlag publiziert in Zusammenarbeit mit Kauka Promedia die komplette Saga um den Modellathleten Michael Rush: Der Sportler wird von einem verrückten Wissenschaftler in die ferne Zukunft versetzt und findet sich dort in einem klassischen Endzeit-Szenario wieder, in dem viele der überlebenden Menschen auf das Niveau von Barbarenstämmen zurückgefallen sind und allerhand gefährliches Getier das karge Ödland bevölkert. In "Experiment des Grauens" erhält Rush den Namen Andrax, erkämpft sich die Freundschaft des tüchtigen "Eingeborenen" Holernes und begibt sich gemeinsam mit ihm von Abenteuer zu Abenteuer, um in Erfahrung zu bringen, wie die Welt in diesen erbärmlichen Zustand geraten konnte.

Mit der Zeitreise in eine Welt der Zukunft, die gleichzeitig viele Elemente der Vergangenheit aufweist, hat sich Autor Peter Wiechmann das ideale Fundament geschaffen, auf dem er wirklich jede beliebige Art von Fantasy- und SciFi-Geschichte aufbauen kann: Seien es wilde Barbaren, Außerirdische mit hochmodernen Strahlenwaffen oder gefräßige Dinosaurier: In dieser Welt haben all diese Elemente nebeneinander Platz, ohne allzu unpassend zu wirken. Und Andrax selbst, ein echtes Kraftgenie, wird natürlich mit all diesen Gefahren spielend fertig, denn als olympischer Zehnkämpfer (in einer Zeit, bevor Doping-Gerüchte Zweifel an der Leistung der Athleten aufkommen ließen) ist er nicht nur in sportlicher Hinsicht unschlagbar, sondern er kann auch jeden Wilden im Schwertkampf besiegen, verfügt über erstaunliches Geschick in Sachen Strategie und vermag auf Anhieb fremdartige UFOs zu pilotieren. So wird Michael Rush allein durch seine Zeitreise zum Superhelden im Lendenschurz, der den rückentwickelten Menschen der Zukunft bereitwillig zeigt, wie man die Dinge richtig anpackt.

Das Erzähltempo ist hoch: Da werden mitunter Streitthemen im gleichen Panel, in dem sie eingeführt werden, schon wieder ausgeräumt. Moderne Autoren, die das "dekomprimierte Erzählen" verinnerlicht haben, würden dafür womöglich eine ganze Seite aufwenden. Durch diese zum Teil fast schon skizzenhafte Knappheit der Texte kommt es zwar nur in Ausnahmefällen zu echten Charaktermomenten und der Verlauf der Handlung löst sich kaum von altbekannten Standardsituation - aber dafür geht es immerhin stets rasant und actionreich voran. Ohnehin bekommt man den Sprachstil, den man in "Andrax" vorfindet, heutzutage in keinem Comic mehr zu lesen: Alle Figuren sprechen seltsam gestelzt und verwenden mit dem Präteritum eine sehr starr klingende Vergangenheitsform, was vor dem mehr auf Realismus bedachten Dialogstil aktueller Comics beinahe befremdlich wirkt. Doch bei "Andrax" funktioniert die umständlich-knappe Ausdrucksweise überraschenderweise hervorragend und wirkt fast wie ein eigenständiges, künstlerisches Ausdrucksmittel.

Nicht nur der Geschichte und der Erzählweise merkt man das Alter deutlich an, auch die Schwarzweiß-Zeichnungen von Jordi Bernet würden in heutiger Zeit wohl in dieser Form nicht mehr entstehen: Die Gestaltung der grobschlächtigen Schurken und glutäugigen, drallen Amazonen verleiht den stereotypen Figuren der Geschichte das entsprechende, erwartbare Aussehen. Doch der flotte, lebhafte Strich des Spaniers gleicht die fehlende Originalität im Design mühelos wieder aus. Dynamische Posen, ausdrucksstarke, aber nicht überzeichnete Mimik und wild schraffierte Schattenflächen setzen optische Akzente, die auch heutigen Ansprüchen mehr als genügen. Fans gediegener Schwarzweiß-Comics dürften mit den Qualitäten Bernets ohnehin bestens vertraut sein, denn Cross Cult hat auch die ebenfalls von ihm gezeichnete Mafia-Serie "Torpedo" im Programm.

Bemerkenswert ist auch der redaktionelle Aufwand, der in diese Ausgabe einfloss: Autor Peter Wiechmann selbst hat die Texte noch einmal überarbeitet und schildert in einem umfangreichen Anhang, wie es damals überhaupt zur Entstehung von "Andrax" kam. Dieser Text ist natürlich sehr von seiner persönlichen Sicht gefärbt, aber dadurch nicht weniger lesenswert. Auch Alexandra Kauka, die Witwe von Rolf Kauka, äußert sich in einem Vorwort zur Historie dieses Comics, der in der vorliegenden Fassung im gewohnt hochwertigen Cross-Cult-"Hausformat" (A5-Hardcover mit sehr festem Papier) erscheint.

Fazit:

"Andrax" versetzt den Leser in eine andere Zeit - nicht nur in die bittere Zukunft, in der Michael Rush ums Überleben kämpft, sondern auch in eine Vergangenheit, in der Comics noch ganz anders waren: Da hatten Helden noch keine Schwächen oder Schattenseiten, konnten alles und beeindruckten die Frauen gleich reihenweise (welche übrigens von der allgemeinen Degeneration der Bevölkerung zumindest äußerlich verschont blieben). Das sind natürlich alles Klischees, die man einem zeitgenössischen Autoren gnadenlos um die Ohren hauen würde. Doch es wäre unfair, "Andrax" allein nach modernen Maßstäben zu beurteilen, und so erhält man hier ein Fantasy-Abenteuer, das zum Teil von seinem Nostalgie-Effekt lebt, aber auch gerade dadurch zu unterhalten weiß, zumal die dynamischen Schwarzweiß-Zeichnungen von Jordi Bernet auch heutzutage noch mehr als sehenswert sind.

 
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