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Der schwarze Engel |
Bücher: Belletristik Krimi & Thriller | |
Geschrieben von Konstanze Tants | |
Freitag, 15. Oktober 2010 | |
Der schwarze Engel Originaltitel: The Black Angel Übersetzt von: Harald Beck und Claus Melchior Verlag:
Diogenes
Erschienen: Januar 2008 ISBN: 978-3-257-23705-4 Preis: 6,00 EUR 266 Seiten |
Ihr Mann nennt sie Engel und als er wegen Mordes an seiner Geliebten verhaftet wird, wird sie es tatsächlich: ein schwarzer Todesengel. Um die Unschuld ihres Gefährten zu beweisen, steigt sie in die schwarze Welt der Spielhöllen, der Drogen und Prostituierten hinab und bringt allen, die mit ihr in Berührung kommen, Unglück und Verderben.
Cornell Woolrich gehört neben Raymond Chandler und Dashiell Hammett zu den maßgebenden Autoren der "novel noir"-Ära - doch vor allem ist er der Allgemeinheit wohl durch Alfred Hitchcocks Verfilmung "Das Fenster zum Hof" bekannt, die auf seiner Kurzgeschichte "Rear Window" basiert. Im Gegensatz zu seinen Kollegen konzentrierte sich der Schriftsteller nicht auf einen Helden wie Phillip Marlowe oder Sam Spade. Cornell Woolrichs Figuren sind keine Privatdetektive, sondern ganz normale Menschen, die aufgrund äußerer Umstände gezwungen werden, sich mit den dunklen Seiten des Lebens auseinanderzusetzen.
Auch Alberta Murray ist in "Der schwarze Engel" erst einmal nur eine gewöhnliche junge Ehefrau, deren Mann eines Tages fremdgeht. Zweiundzwanzig ist sie, als Alberta herausfindet, dass ihr Mann eine Geliebte hat. In der Hoffnung, damit das Verhältnis zu beenden, will sie die Rivalin sprechen und sucht sie in ihrer Wohnung auf. Doch dort findet Alberta die Nachtklubtänzerin Mia nur noch ermordet auf. Obwohl sie nicht weiß, wer die Tat begangen hat, ist sich die junge Frau sicher, dass nicht ihr Mann der Mörder war.
Ungeachtet der Tatsache, dass er, der sie immer so zärtlich Engelsgesicht genannt hat, sie mit der anderen Frau betrog, macht sie sich auf, um seine Unschuld zu beweisen. Dabei rennt Alberta die Zeit davon, da ihr Mann für den Mord an der Tänzerin schon zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt wurde. Bewaffnet mit dem Glauben daran, dass ihr Mann kein Mörder ist und vor Mias Tod zu ihr zurückkehren wollte, stürzt sich Alberta in die dunklen Ecken der Stadt.
Einzig das Notizbuch der Ermordeten und ein kleines Streichholzheft, das die junge Frau am Tatort gefunden hat, bieten ihr dabei Anhaltspunkte bei der Suche nach dem wahren Mörder. So wird Alberta mit den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele konfrontiert, muss miterleben, was die Liebe und der Alkohol aus einem Menschen machen, lernt Männer kennen, die - ebenso wie ihr Ehemann - Mia verfallen waren und sieht sich gezwungen, immer wieder eine neue Rolle anzunehmen, um ihre Ermittlungen fortführen zu können.
Dabei ist Alberta bei Weitem keine strahlende Heldin, sie ist eine junge und ängstliche Frau, die mit all den schäbigen Orten, den Verbrechern und den Abgründen, die sich vor ihr auftun, oft überfordert ist. Einzig der Wunsch, ihren Mann vor der unverdienten Hinrichtung zu bewahren, lässt sie ihr Ziel im Auge behalten. Doch sie ist nicht die einzige verlorene Seele, die in den Tiefen New Yorks nach der Wahrheit - und Mias Mörder - sucht.
Während ein Phillip Marlowe seine Ermittlungen vor allem aufgrund seines moralischen Empfindens zu einem Ende bringt, wird Alberta einzig von ihrer (blinden) Liebe zu ihrem Mann angetrieben. Gut und böse, falsch und richtig verlieren für die junge Frau auf der Suche nach dem wahren Täter schnell ihre Bedeutung. Dies ist für den Leser vor allem deshalb so erschreckend, weil man sich sicher ist, dass ihr Mann eine solche Hingabe gar nicht verdient. Umso faszinierender ist es, Albertas Weg zu verfolgen und mitzuerleben, wie sie immer wieder neue Grenzen überschreitet und immer skrupelloser ihr Ziel verfolgt.
Dabei ist der jungen Frau durchaus bewusst, was sie tut - und sie verachtet sich für all die Lügen, die sie erzählt, und all die Täuschungen, die sie begehen muss. So ist es kein Wunder, dass sie am Ende nicht unversehrt aus der Geschichte herausgeht. Aufgrund all ihrer Erlebnisse wird sie nie wieder so unbefangen, so unschuldig sein, wie vor dem Betrug durch ihren Mann und den darauf folgenden Mordermittlungen. So fesselt die Handlung von "Der schwarze Engel" weniger durch spannende Szenen, obwohl auch solche Passagen durchaus vorhanden sind, als durch die kleinen Veränderungen bei Alberta und den langsam Verfall einer ursprünglich naiven jungen Frau.
Cornell Woolrich hat ebenso wie Raymond Chandler, Dashiell Hammett oder Erle Stanley Gardner zu den prägenden Autoren der "novel noir"-Zeit gehört. Dabei drehen sich seine Romane weniger um den Typ des desillusionierten Privatdetektivs als um ganz normale Menschen wie Alberta Murray. Bei dem Versuch, die Unschuld ihres Mannes am Tod der Tänzerin Mia zu beweisen, wird die junge Frau immer weiter in den Unterwelt-Sumpf hineingezogen, was für den Leser zu einem faszinierend zu verfolgenden Verfall ihrer Persönlichkeit führt.