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Dr. Siri und seine Toten |
Bücher: Belletristik Krimi & Thriller | |
Geschrieben von Konstanze Tants | |
Montag, 20. September 2010 | |
Dr. Siri und seine Toten Originaltitel: The Coroner's Lunch Übersetzt von: Thomas Mohr Reihe: Dr. Siri ermittelt 1. Band der Reihe Verlag:
Goldmann
Erschienen: Dezember 2009 ISBN: 978-3-442-46679-5 Preis: 8,95 EUR 336 Seiten |
Eigentlich hatte es Dr. Siri bisher nur mit lebenden Patienten zu tun. Doch nun wird er mit seinen 72 Jahren zum einzigen Leichenbeschauer von ganz Laos ernannt. Schon bald hat er es mit zwei mysteriösen Fällen zu tun: Die Frau eines Parteibonzen stirbt bei einem Festessen und drei tote Männer werden in einem See gefunden. Mit veralteten Lehrbüchern, mangelhafter Ausrüstung, aber viel Witz und Intuition macht sich Dr. Siri daran, die Morde aufzuklären.
Der Titel "Dr. Siri und seine Toten" von Colin Cotterill lässt sich nicht so einfach in eine Schublade stecken. Man könnte den Roman als Regionalkrimi bezeichnen, da hier die laotisch-kommunistische Gesellschaft dargestellt wird, oder auch als komischen Krimi, denn der Autor legt eindeutig mehr Wert auf amüsante Begebenheiten und ungewöhnliche Figuren als auf den eigentlichen Kriminalfall. Unabhängig davon, in welche Unterkategorie man dieses Buch zu stecken versucht, lässt sich sagen, dass es überaus unterhaltsam ist, sodass man es in einem Zug auslesen möchte.
Dr. Siri Paiboun ist ein ungewöhnlicher Laote, denn er hatte (dank eines reichen Gönners) in Frankreich Medizin studieren können und sich dort auch während des Studiums der Kommunistischen Partei angeschlossen. Nach langen Jahren auf der Seite der Rebellen muss Dr. Siri nun erleben, wie unorganisiert - und häufig unlogisch - die neue kommunistische Regierung im Jahr 1976 sein Heimatland strukturiert. So wird der 72-Jährige, der sich eigentlich auf einen ruhigen Lebensabend gefreut hatte, auf den Posten des einzigen Pathologen des Landes berufen, obwohl er nicht gerade viel Ahnung von diesem Fachgebiet hat. Aber da er nun mal der einzige Mediziner ist, der überhaupt einmal eine Ausbildung in diese Richtung gemacht hat, bleibt ihm nichts anderes übrig.
Anfangs widerwillig, dann immer faszinierter macht sich Dr. Siri an seine neue Arbeit und hat es schnell mit zwei ungewöhnlichen Problemen zu tun. So fällt die Frau eines Parteifunktionärs bei einem Essen tot um, ohne dass jemand eine Erklärung für ihr Ableben hätte, während der verwitwete Gatte mit überraschender Fröhlichkeit an die Organisation der Bestattung herangeht. Doch vor allem gibt dem Pathologen die Leiche eines Chauffeurs, der ermordet in einem See gefunden wird, Rätsel auf.
Mit der Hilfe alter französischer Fachbücher, einer Chemielehrerin und sehr viel Erfindungsreichtum versucht Dr. Siri, so viel wie möglich über die jeweilige Todesursache herauszufinden. Dabei steht ihm nicht nur sein fehlendes Wissen im Weg, sondern auch die Tatsache, dass ihm die Regierung so gut wie keine Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellt. Aber die Ideen der Krankenschwester Dtui, die die Untersuchungen protokollieren soll, und die scharfe Nase von Herrn Geung, der Dr. Siri als Assistent zur Seite steht, ersetzen dem Arzt so manches wissenschaftliche Gerät.
Colin Cotterills Roman lebt vor allem von den liebeswerten und ein wenig skurril wirkenden Charakteren. Dr. Siri ist ein rüstiger Mann Anfang siebzig, der schon so einiges im Leben gesehen und erlebt hat. Obwohl er anfangs versucht, sich an die Regeln der kommunistischen Regierung zu halten, ist er in seinem Alter nicht mehr bereit, jeden Unsinn einfach hinzunehmen. So frustrierend seine Tätigkeit als Pathologe für ihn auch ist, hat er doch großen Respekt vor den Toten und will ihnen den bestmöglichen Dienst erweisen.
Der Arzt und die Menschen, mit denen er Tag für Tag zu tun hat, wachsen dem Leser schnell ans Herz. Jeder von ihnen hat kleine Eigenheiten, die ihn realistisch wirken lassen, auch wenn dem deutschen Leser die laotische Gesellschaft und ihre Eigenarten anfangs doch sehr fremd sind. Man findet sich aber schnell in diese Welt ein und kann nach einer kleinen Eingewöhnungszeit auch gut mit dem Aberglauben der Laoten umgehen, obwohl dieser die Figuren zu einigen befremdlichen Handlungen motiviert. Und bei all den Absonderlichkeiten hat man immer das Gefühl, dass der Autor nur die Dinge beschreibt, die er selbst in Laos erlebt oder von Einheimischen erzählt bekommen hat.
Während des Lesens von "Dr. Siri und seine Toten" überwiegt vor allem der Humor, der sich durch das ganze Buch zieht. Immer wieder gibt es kleine, nicht übertrieben wirkende Szenen, die einen zum Schmunzeln anregen. Neben all diesen Charakterdarstellungen tritt die eigentliche Krimihandlung fast in den Hintergrund, was aber in keiner Weise stört. Und während man sich mit diesem Roman gut amüsiert, wird die Neugier auf das unbekannte Land Laos geweckt.
In verschiedenen Interviews erwähnte der Autor, dass er sich bewusst dafür entschieden hat, seine Geschichte in diesem Land spielen zu lassen, da ihm vorher noch kein Buch begegnet ist, das über Laos aus einer "Perspektive von innen" berichtet. Auch hat Colin Cotterill nicht nur selbst ein paar Jahre in dem Land gelebt, sondern auch einige laotische Freunde, die ihm viel über ihre Heimat erzählt haben. Diese Liebe zu Laos und den Menschen, die dort wohnen, zieht sich durch die gesamte Handlung und macht dem Leser Lust, sich intensiver mit diesem Land zu beschäftigen.
Colin Cotterill bietet dem Leser mit seinem Roman "Dr. Siri und seine Toten" wunderbar sympathische Figuren, eine unterhaltsame Kriminalgeschichte und einen faszinierenden Blick in das doch recht wenig beachtete Land Laos, wie es Mitte der 70er-Jahre war. Vor allem die wunderbaren und etwas skurrilen Charaktere und der leise Humor, der sich durch das ganze Buch zieht, lassen diese Geschichte zu einem wunderbaren Leseerlebnis werden. Das alles macht wirklich neugierig auf die Fortsetzung "Dr. Siri sieht Gespenster", in der Hoffnung, dass der Autor das Niveau seines ersten Dr.-Siri-Romans halten kann.