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Der Tod wohnt nebenan 
Bücher: Belletristik Krimi & Thriller
Geschrieben von Konstanze Tants   
Montag, 19. Juli 2010

Der Tod wohnt nebenan

Originaltitel: Una novela de barrio
Übersetzt von: Sabine Giersberg

Reihe: Méndez
9. Band der Reihe

Erschienen: März 2010
ISBN: 978-3-431-03799-9
Preis: 19,99 EUR

317 Seiten
Inhalt
6.0
Preis/Leistung
8.0
Gesamtwertung
6.2

Wertung:
6.2
von 10
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Zum Inhalt:

Eine Abrissparty in Barcelonas Armenhaus, dem "Poble Sec". Die gesamte Nachbarschaft versammelt sich, um die alten Zeiten ein letztes Mal aufleben zu lassen. Doch ein grausiger Fund sprengt das Fest, denn die ersten Gäste stolpern über eine Leiche. Das Motiv für den Mord liegt tief in der Vergangenheit: Vor dreißig Jahren starb ein Kind bei einem Banküberfall. Der Haupttäter konnte damals fliehen - und liegt nun tot vor aller Augen. Für Inspector Méndez ist klar, dass der Vater des kleinen Jungen späte Rache genommen hat. Nun muss er Beweise finden und außerdem weiteres Blutvergießen verhindern. Denn das Opfer hatte Komplizen ...

Meinung:

Francisco González Ledesma ist in seinem Heimatland Spanien ein überaus bekannter Autor, der schon 1948 mit gerade mal 21 Jahren Aufsehen in der literarischen Welt erregte, als er den "Premio Internacional de Novela" gewann. Doch aus politischen Gründen konnte der Schriftsteller erst nach Ende des Franco-Regimes seine zahlreichen Bücher veröffentlichen. Zu seinen Werken gehört auch eine Krimireihe um den katalanischen Inspector Méndez. Aus dieser Serie stammt "Der Tod wohnt nebenan", wobei dieser Roman der neunte Band der Méndez-Reihe ist.

So schön es ist, dass dieser Autor nun auch Einlass in den deutschen Buchmarkt gefunden hat, so ist es für den Leser doch anfangs sehr verwirrend, Zugang zu der Welt zu bekommen, in der die Geschichte spielt. Das liegt vermutlich daran, dass die Figur des Inspector Méndez schon in früheren Romanen eingeführt wurde und der Autor nun nicht weiter auf seine Hintergründe und sein Arbeitsumfeld eingeht. Aber auch die Sprache, die Francisco González Ledesma verwendet, ist gewöhnungsbedürftig. Der Autor bedient sich einer sehr bildhaften und ausufernden Erzählweise, die wohl nicht jedem Leser zusagen wird.

Auf diese Weise wird auch der Mord an dem Bankräuber Omedes beinah zur Nebensache, ebenso wie die darauf folgenden Ermittlungen und die Mordversuche an dem vermutlichen Täter. Aus verschiedenen Perspektiven bekommt man zwar immer wieder Teile der Handlung erzählt, die gegen Ende ein faszinierendes und teilweise abstoßendes Bild ergeben. Doch vor allem scheint es Francisco González Ledesma darum zu gehen, die Vergangenheit Barcelonas in den Erinnerungen der Menschen zu erhalten und aufzuzeigen, wie sehr sich die Stadt und die Menschen, die in ihr leben, verändert haben.

Inspector Méndez, der kurz vor der Pensionierung steht und deshalb mit einer erstaunlichen Skrupellosigkeit mit seinem Beruf umgeht, steht für eine längst vergangene Zeit und hat das Gefühl, sich in der heutigen Welt nicht mehr so gut zurechtzufinden. Obwohl der Leser zum Beispiel anhand des Schicksals von Mabel (die schon als Jugendliche zur Prostitution gezwungen wurde) sieht, dass sich in all den Jahren gar nicht so viel verändert hat und dass das Leben in Barcelona auch damals schon viele grausame Seiten hatte, wird er doch von der steten Wehmut beeinflusst, die sich durch das Buch zieht.

Méndez und seine Altersgenossen sehnen sich nach einer Gesellschaft zurück, von der ihnen bewusst ist, dass sie keine heile Welt repräsentierte, und beklagen die Veränderungen, die die katalanische und spanische Kultur in den letzten Jahren durchgemacht hat. All diese gesellschaftlichen Reflexionen sind zwar durchaus nicht unüblich für einen guten Kriminalroman, werden von Francisco González Ledesma aber schon fast überbetont präsentiert. Bei ihm gibt es keine unterschwelligen Botschaften, keine unmerkliche Erkenntnis beim Lesen, sondern überbordende Bilder und ausführliche Beschreibungen, die zum Teil so abschweifend sind, dass man die eigentliche Handlung darüber beinah vergisst.

Nach der sehr reizvollen Anfangssituation zieht der Krimi-Anteil erst wieder gegen Ende des Buches deutlich an. Der Leser hat inzwischen nicht nur all die verschiedenen Figuren gut genug kennengelernt, um ihre Position in der Geschichte bewerten und ihren Charakter einschätzen zu können, sondern auch die Handlung wird rasanter und spannender. Während von den ersten Kapiteln an klar zu sein scheint, dass Omedes aufgrund seiner Taten bei dem Jahrzehnte zurückliegenden Banküberfall getötet wurde und dass der Mord an ihm nur der Beginn eines Rachefeldzuges ist, werden die Folgen dieser anfänglichen Tat immer gewaltiger. So kommt der Leser nach einer sich eher gemächlich entwickelnden Handlung voller eigenwilliger Personen doch noch in den Genuss eines Showdowns mit überraschenden Wendungen.

Fazit:

Francisco González Ledesmas "Der Tod wohnt nebenan" birgt für den Leser zwei kleine Herausforderungen: Zum einen die Tatsache, dass dieser Band schon der neunte Kriminalroman aus der Méndez-Reihe ist, sodass die Figuren nicht sehr gut eingeführt werden, und zum anderen die ungewöhnlich bildhafte Erzählweise des Autors. Doch wer weniger einen nervenaufreibenden Krimi sucht und sich stattdessen auf eine ausufernde und sehr persönliche Beschreibung der aktuellen Entwicklung Barcelonas, der dort herrschenden Gesellschaft und den inzwischen vergangenen Zeiten einlassen mag, der wird mit diesem Roman die passende Lektüre finden.
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