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Der deutsche Freund 
Bücher: Belletristik Krimi & Thriller
Geschrieben von Konstanze Tants   
Montag, 18. Mai 2009

Der deutsche Freund

Originaltitel: Afgrundens rand
Übersetzt von: Ulrich Sonnenberg

Verlag: Suhrkamp
Erschienen: Mai 2009
ISBN: 978-3-518-46089-4
Preis: 9,95 EUR

464 Seiten
Inhalt
3.0
Preis/Leistung
8.0
Gesamtwertung
3.5

Wertung:
3.5
von 10
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Zum Inhalt:

Kopenhagen, Sonntag, 28. Oktober 1979: Der dänische Finanzminister Knud Heisen gibt seinen Posten auf und erklärt in den Nachrichten, dass Dänemark sich auf dem Weg in den Abgrund befindet. Einige Stunden später liegt der Großunternehmer Keld Borch tot in der Sauna des Kopenhagener Men's Club. Eine Spur führt die Ermittler um Ole Larsen in das Netzwerk eines geheimen Männerbundes und in höchste politische Kreise. Eine dramatische Verfolgungsjagd beginnt, von Kopenhagen nach Ostberlin und von Ostberlin nach Danzig, und endet mit einer überraschenden Begegnung in der dänischen Provinz.

Meinung:

Während der klassische amerikanische Kriminalroman in einer korrupten Welt spielt, in der ein (manchmal ein wenig zweifelhafter) Held dem Leser aufgrund seines Moralempfindens und seines ehrenhaften Verhaltens Halt bietet, weisen die Hauptfiguren skandinavischer Autoren in der Regel eine realistischere Einstellung zum Leben und zu ihrer Arbeit auf als der amerikanische Ermittler. Dies führt häufig zu einer wesentlich melancholischeren Grundstimmung im Roman, die aber - kombiniert mit einer treffenden Darstellung der kleinen, negativen Elemente des Lebens - zu einer erschütternden Eindringlichkeit führen kann.

Doch in "Der deutsche Freund" haben die beiden Autoren Christian Dorph und Simon Pasternak so sehr versucht, ihre Figuren mit den Charakteristika eines Antihelden zu versehen, dass ihren Polizisten nicht nur jegliche Glaubwürdigkeit fehlt, sondern dass der Leser sich auch kaum überwinden kann, den Roman über die ersten Seiten hinaus zu verfolgen. Gleich zu Beginn erfährt man von den diversen Problemen der ermittelnden Polizisten. Erik Rohde hat vor vier Jahren Frau und Kind verlassen, um seine schwulen Neigungen ausleben zu können. Als er seinen Partner mit dem Mitbewohner zusammen im Bett erwischt, bricht seine Welt zusammen. Er zieht durch einschlägige Clubs, belästigt seine Exfrau und wird schließlich betrunken neben der Leiche eines Großindustriellen in einer Sauna gefunden.

Für diese Mordermittlung verlässt Vizekriminalkommissar Ole Larsen das Krankenbett seiner Frau. Gerdas Krebs ist in letzter Zeit so schlimm geworden, dass die Ärzte ihr nur noch wenig Zeit geben. Doch statt diese letzten Tage mit ihr auszukosten, stürzt sich Larsen in den Fall, um sich selbst von seiner Sehnsucht nach einer Frau abzulenken, die er vor einigen Jahren wegen Mordes ins Gefängnis gebracht hat und deren Tochter er regelmäßig heimlich im Kinderheim besucht.

Auch die dritte Person, die mit diesen Ermittlungen befasst ist, hat eigentlich ganz andere Sorgen als ihre Arbeit: Anita Jensen lebt von ihrem Mann getrennt, da dieser - ebenfalls ein Polizist - die junge Frau regelmäßig misshandelt hat. Nun gelten all ihre Gedanken der Sorgerechtsverhandlung, bei der geklärt werden soll, wie viel Kontakt ihr Exmann mit dem gemeinsamen Sohn haben darf. Da auch der kleine Jacob von seinem Vater geschlagen wird, versucht Anita natürlich, ihr Kind irgendwie vor diesem brutalen Mann zu beschützen.

Als nun entdeckt wird, dass sich neben dem betrunkenen Erik Rohde und der Leiche des Keld Borch auch noch ein kleiner, türkischer Junge in der Herrensauna befindet, steht für alle Beteiligten schnell fest, dass sie hier einem Pädophilenring auf der Spur sind. Dieser scheint kleine Jungen mit gekauften Papieren von der Türkei aus nach Dänemark zu schmuggeln. Doch dann schaltet sich die türkische Botschaft ein, und auch der eigenen Regierung ist daran gelegen, dass die Ermittlungen bald zu den Akten gelegt werden.

Aber so einfach lassen sich die drei Polizisten nicht von ihrer Spur abbringen. Nachdem sie herausfinden, dass Keld Borch während des zweiten Weltkriegs zusammen mit zwei weiteren namhaften Männern eine intime Beziehung zu einem deutschen SS-Offizier gepflegt hat, bekommt der Mord an dem Industriellen eine ganz andere Note. Doch als einer der beiden Männer, der Grönlandforscher Joachim Frijs, von einem Grönländer getötet wird, müssen sich die Polizisten auch noch mit den traditionellen Gebräuchen dieses Volkstamms auseinandersetzen. Währenddessen drängt der Staatssekretär Adam Wolff darauf, dass die Ermittlungen beendet werden. Schnell steht fest, dass der hohe Politiker mehr zu verbergen hat als seine Freundschaft zu dem pädophilen Keld Borch und eine lang zurückliegende Bekanntschaft zu dem SS-Offizier Heinz Richter.

Obwohl sich Christian Dorph und Simon Pasternak einer häufig sehr schönen und treffenden Ausdrucksweise bedienen, kann ihr Roman "Der deutsche Freund" einfach nicht überzeugen. Vielleicht krankt diese Geschichte daran, dass diese zwei Autoren versucht haben, all ihre Ideen in einem Buch unterzubringen. Sowohl die verschiedenen persönlichen Probleme der Ermittler als auch die Masse an Motiven, Verbindungen und Verbrechen würden locker für drei Romane reichen. All das in einem Handlungsstrang vereint vorzufinden, trägt nicht zur Qualität der Geschichte bei, sondern führt eher dazu, dass der Leser des Ganzen überdrüssig wird.

Die unterschiedlichen Wendungen übersättigen einen so sehr, dass nicht einmal eine Verfolgungsjagd von Ostdeutschland bis an die polnische Grenze noch Spannung aufkommen lässt. Von einem Pädophilenring über Nazi-Sympathisanten bis zu Spionageelementen haben Christian Dorph und Simon Pasternak alle Motive aufgenommen, die je in einem Kriminalroman verwendet wurden. So kann man sich nur noch ein gequältes "nicht auch das noch" abringen, wenn man von den Auseinandersetzungen eines dänischen Polizisten mit der Stasi liest, und hat am Ende des Buches schon fast vergessen, dass das Ganze mit einem armen, kleinen, missbrauchten Jungen anfing.

Fazit:

Christan Dorph und Simon Pasternak haben in "Der deutsche Freund" versucht, zu viele Wendungen in ihre Handlung einzubauen und dadurch die ganze Geschichte zur Unglaubwürdigkeit verdammt. Was zu Anfang aussieht wie ein Mord innerhalb eines Pädophilenrings, der kleine Jungen aus der Türkei einschleust, entwickelt sich schnell zu einer kruden Mischung aus so vielen verschiedenen Krimielementen, dass der Leser schnell übersättigt ist. Dabei fällt es einem aufgrund der Masse an Problemen der Polizisten schon schwer, überhaupt die ersten Seiten den Romans zu überwinden. Allein die ansprechende Sprache und die vielen kleinen, treffenden Beobachtungen der beiden Autoren könnten einen Leser überhaupt noch dazu bringen, dieses Buch zu Ende zu lesen.
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