Soho, New York City. Der Leiter eines Wachsfiguren-Kabinetts wird erschossen in seinem unheimlichen Museum aufgefunden. Ermittlungen ergeben, dass eine über zwei Meter große Holzkiste mit der Aufschrift "Giurescu, Objekt #666" verschwunden ist. Der vermutete Inhalt der Kiste ruft Hellboy und die "Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen" auf den Plan. Die alte Legende um den blutrünstigen Adligen Vladimir Giurescu führt sie zu einem mittelalterlichen Schloss in Rumänien, wo sie ein wahrer Albtraum erwartet ...
Hellboy sieht sich nicht nur mit Untoten und Hexen konfrontiert, sondern zudem mit seiner apokalyptischen Bestimmung: Ist er wirklich in dieser Welt, um das Ende der Menschheit einzuläuten?
Meinung:
"Der Teufel erwacht", die zweite lange Hellboy-Geschichte, findet wie schon "Saat der Zerstörung" überwiegend in einem entlegenen, baufälligen Gemäuer statt, und auch diesmal legt der paranormale Ermittler aus der Hölle große Wegstrecken im freien Fall zurück. Aber an dieser Stelle enden die inhaltlichen Gemeinsamkeiten auch fast schon. Denn zum einen ist die Grundstimmung der Erzählung eine deutlich andere - die lakonischen Kommentare aus Hellboys eigener Perspektive gab es nur im ersten Band der Serie. Zum anderen geht bei diesem Einsatz des B.U.A.P.-Außenteams eine ganze Menge gehörig schief.
Bereits in "Saat der Zerstörung" war Hellboy von Rasputin, der ihn vor über 50 Jahren auf die Erde geholt hatte, darüber aufgeklärt worden, dass ihm bei der Apokalypse eine tragende Rolle zuteil werden soll. Damals konnte der rothäutige Ex-Dämon noch geflissentlich über die Prophezeiungen des Magiers hinweghören. Doch in "Der Teufel erwacht" führt ihn die Jagd nach Vladimir Giurescu zu Begegnungen mit allerlei anderen mythischen Wesen aus aller Welt, darunter vor allem Hekate, Königin aller Hexen, die ihn auf derart drastische Weise mit seiner Bestimmung konfrontiert, dass er sie nicht länger ignorieren kann - so gern er das auch tun würde.
Das allein sorgt schon für genügend Missmut bei Hellboy, doch es kommt noch schlimmer: Der Einsatz geht für einige B.U.A.P.-Mitarbeiter, darunter auch Hellboys enge Freundin Liz Sherman, leider nicht besonders glimpflich aus. Diese dramatischen Entwicklungen verleihen dem Hellboy-Universum eine zusätzliche Tiefe, die in den kommenden Geschichten noch deutlich weiter ausgebaut wird. Doch bereits in diesem zweiten Band wird klar: Die Unbekümmertheit, die er fast sein ganzes bisheriges Leben lang wie einen Schatz gehütet hat, wird Hellboy nicht auf ewig aufrechterhalten können. Denn wenn die eigenen Familienbande bis in die Hölle zurückreichen, muss man sich früher oder später mit der unliebsamen Verwandtschaft auseinandersetzen.
Während sich Mike Mignola in "Saat der Zerstörung" vor allem auf kosmisches Grauen und Tentakelmonster à la Lovecraft berief, zeigten die kurz darauf erschienenen Kurzgeschichten (die bei Cross Cult in Band 4 nachgereicht werden) bereits, dass er sich auch gerne bei Volkssagen und Mythologie aus aller Welt bedient, wenn es darum geht, Hellboy in interessante Begegnungen zu verwickeln. "Der Teufel erwacht" setzt diesen Trend nahtlos fort, und so werden dem Leser neben den bereits erwähnten Kreaturen wie Hekate und einem sehr klassisch angelegten Vampir auch die russische Hexe Baba Jaga, die Daoine Sídhe (das keltische "Feenvolk") und der nordische Weltenbaum Yggdrasil an den Kopf geworfen, ohne dass man sich irgendwie an dieser bunten Mixtur stören würde. Im Gegenteil: Mignolas Umgang mit den kulturellen Versatzstücken ist so souverän und überzeugend, dass man bei der Lektüre fast das Gefühl bekommt, dass diese völlig verschiedenen Sagenkreise eigentlich schon immer zusammengehörten.
Wie immer, wenn Mike Mignola am Werk war, wirken die Zeichnungen, als wäre das Weiß aus einem massiven Block Schwärze herausgemeißelt worden. Die kantigen, mitunter abstrakten Formen verströmen aber dennoch einen ungemein organischen Eindruck, der vom großen Können dieses Ausnahmezeichners zeugt. Mignola baut zudem sein Talent dafür, ein ganz eigenes Erzähltempo zu finden, in "Der Teufel erwacht" noch weiter aus und streckt den Ablauf der Bilder vermehrt mit Szenen wie etwa zwitschernden Vögeln - ein enorm wirksamer Kunstgriff, der inzwischen diverse Nachahmer gefunden hat.
Auch dieser Hellboy-Band erscheint im typischen "Cross-Cult-Hausformat", will sagen: Auf A5 verkleinert, schwarzweiß und in einem ebenso robust wie edel wirkenden Hardcover-Einband. Wie gewohnt gibt es obendrein einige exklusive Extras. In diesem Fall sind das neben einigen Pin-ups deutscher Zeichner ein Interview mit Mike Mignola aus der Zeit, in der er gerade die Arbeit an "Der Teufel erwacht" beendet hatte, sowie ein weiteres Gespräch mit seinem Redakteur Scott Allie, das hochinteressante Einblicke in die Zusammenarbeit mit diesem einzigartigen Künstler gewährt.
Fazit:
In "Der Teufel erwacht" beweist Mike Mignola, dass er als Autor die Schützenhilfe eines John Byrne keineswegs nötig hat. Im Gegenteil, mit seinem eigenen, etwas wortkargeren Schreibstil bietet er den Lesern genügend Freiraum, sodass sie alle Emotionen der Figuren den imposanten, ausdrucksstarken Bildern entnehmen können. Der Fokus der Handlung liegt diesmal noch stärker auf Hellboys Bestimmung als Bestie der Apokalypse - und seiner anhaltenden Verweigerung, sich mit diesem Thema zu befassen. Das verleiht der Figur, die zugegebenermaßen auch als eher oberflächlicher Actionheld bestens funktioniert, noch mehr Tiefe. Somit stellt "Der Teufel erwacht" bereits einen ersten Gipfel in einer generell herausragenden Serie dar und lässt erahnen, welche Dramatik in zukünftigen Geschichten um den höllischen Geisterjäger noch auf den Leser wartet.
Soho, New York City. Der Leiter eines Wachsfiguren-Kabinetts wird erschossen in seinem unheimlichen Museum aufgefunden. Ermittlungen ergeben, dass eine über zwei Meter große Holzkiste mit der Aufschrift "Giurescu, Objekt #666" verschwunden ist. Der vermutete Inhalt der Kiste ruft Hellboy und die "Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen" auf den Plan. Die alte Legende um den blutrünstigen Adligen Vladimir Giurescu führt sie zu einem mittelalterlichen Schloss in Rumänien, wo sie ein wahrer Albtraum erwartet ...
Hellboy sieht sich nicht nur mit Untoten und Hexen konfrontiert, sondern zudem mit seiner apokalyptischen Bestimmung: Ist er wirklich in dieser Welt, um das Ende der Menschheit einzuläuten?
"Der Teufel erwacht", die zweite lange Hellboy-Geschichte, findet wie schon "Saat der Zerstörung" überwiegend in einem entlegenen, baufälligen Gemäuer statt, und auch diesmal legt der paranormale Ermittler aus der Hölle große Wegstrecken im freien Fall zurück. Aber an dieser Stelle enden die inhaltlichen Gemeinsamkeiten auch fast schon. Denn zum einen ist die Grundstimmung der Erzählung eine deutlich andere - die lakonischen Kommentare aus Hellboys eigener Perspektive gab es nur im ersten Band der Serie. Zum anderen geht bei diesem Einsatz des B.U.A.P.-Außenteams eine ganze Menge gehörig schief.
Bereits in "Saat der Zerstörung" war Hellboy von Rasputin, der ihn vor über 50 Jahren auf die Erde geholt hatte, darüber aufgeklärt worden, dass ihm bei der Apokalypse eine tragende Rolle zuteil werden soll. Damals konnte der rothäutige Ex-Dämon noch geflissentlich über die Prophezeiungen des Magiers hinweghören. Doch in "Der Teufel erwacht" führt ihn die Jagd nach Vladimir Giurescu zu Begegnungen mit allerlei anderen mythischen Wesen aus aller Welt, darunter vor allem Hekate, Königin aller Hexen, die ihn auf derart drastische Weise mit seiner Bestimmung konfrontiert, dass er sie nicht länger ignorieren kann - so gern er das auch tun würde.
Das allein sorgt schon für genügend Missmut bei Hellboy, doch es kommt noch schlimmer: Der Einsatz geht für einige B.U.A.P.-Mitarbeiter, darunter auch Hellboys enge Freundin Liz Sherman, leider nicht besonders glimpflich aus. Diese dramatischen Entwicklungen verleihen dem Hellboy-Universum eine zusätzliche Tiefe, die in den kommenden Geschichten noch deutlich weiter ausgebaut wird. Doch bereits in diesem zweiten Band wird klar: Die Unbekümmertheit, die er fast sein ganzes bisheriges Leben lang wie einen Schatz gehütet hat, wird Hellboy nicht auf ewig aufrechterhalten können. Denn wenn die eigenen Familienbande bis in die Hölle zurückreichen, muss man sich früher oder später mit der unliebsamen Verwandtschaft auseinandersetzen.
Während sich Mike Mignola in "Saat der Zerstörung" vor allem auf kosmisches Grauen und Tentakelmonster à la Lovecraft berief, zeigten die kurz darauf erschienenen Kurzgeschichten (die bei Cross Cult in Band 4 nachgereicht werden) bereits, dass er sich auch gerne bei Volkssagen und Mythologie aus aller Welt bedient, wenn es darum geht, Hellboy in interessante Begegnungen zu verwickeln. "Der Teufel erwacht" setzt diesen Trend nahtlos fort, und so werden dem Leser neben den bereits erwähnten Kreaturen wie Hekate und einem sehr klassisch angelegten Vampir auch die russische Hexe Baba Jaga, die Daoine Sídhe (das keltische "Feenvolk") und der nordische Weltenbaum Yggdrasil an den Kopf geworfen, ohne dass man sich irgendwie an dieser bunten Mixtur stören würde. Im Gegenteil: Mignolas Umgang mit den kulturellen Versatzstücken ist so souverän und überzeugend, dass man bei der Lektüre fast das Gefühl bekommt, dass diese völlig verschiedenen Sagenkreise eigentlich schon immer zusammengehörten.
Wie immer, wenn Mike Mignola am Werk war, wirken die Zeichnungen, als wäre das Weiß aus einem massiven Block Schwärze herausgemeißelt worden. Die kantigen, mitunter abstrakten Formen verströmen aber dennoch einen ungemein organischen Eindruck, der vom großen Können dieses Ausnahmezeichners zeugt. Mignola baut zudem sein Talent dafür, ein ganz eigenes Erzähltempo zu finden, in "Der Teufel erwacht" noch weiter aus und streckt den Ablauf der Bilder vermehrt mit Szenen wie etwa zwitschernden Vögeln - ein enorm wirksamer Kunstgriff, der inzwischen diverse Nachahmer gefunden hat.
Auch dieser Hellboy-Band erscheint im typischen "Cross-Cult-Hausformat", will sagen: Auf A5 verkleinert, schwarzweiß und in einem ebenso robust wie edel wirkenden Hardcover-Einband. Wie gewohnt gibt es obendrein einige exklusive Extras. In diesem Fall sind das neben einigen Pin-ups deutscher Zeichner ein Interview mit Mike Mignola aus der Zeit, in der er gerade die Arbeit an "Der Teufel erwacht" beendet hatte, sowie ein weiteres Gespräch mit seinem Redakteur Scott Allie, das hochinteressante Einblicke in die Zusammenarbeit mit diesem einzigartigen Künstler gewährt.
In "Der Teufel erwacht" beweist Mike Mignola, dass er als Autor die Schützenhilfe eines John Byrne keineswegs nötig hat. Im Gegenteil, mit seinem eigenen, etwas wortkargeren Schreibstil bietet er den Lesern genügend Freiraum, sodass sie alle Emotionen der Figuren den imposanten, ausdrucksstarken Bildern entnehmen können. Der Fokus der Handlung liegt diesmal noch stärker auf Hellboys Bestimmung als Bestie der Apokalypse - und seiner anhaltenden Verweigerung, sich mit diesem Thema zu befassen. Das verleiht der Figur, die zugegebenermaßen auch als eher oberflächlicher Actionheld bestens funktioniert, noch mehr Tiefe. Somit stellt "Der Teufel erwacht" bereits einen ersten Gipfel in einer generell herausragenden Serie dar und lässt erahnen, welche Dramatik in zukünftigen Geschichten um den höllischen Geisterjäger noch auf den Leser wartet.