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Freaks of the Heartland  Drucken E-Mail
Comics: Amerika Horror & Mystery
Geschrieben von Manuel Tants   
Freitag, 5. Dezember 2008

Freaks of the Heartland

Autor: Steve Niles
Zeichner: Greg Ruth

Originaltitel: Freaks of the Heartland
Übersetzt von: Frank Neubauer

Verlag: Cross Cult
Format: Hardcover
Erschienen: August 2008
ISBN: 978-3-936480-89-4
Preis: 19,80 EUR

144 Seiten
Inhalt
6.0
Zeichnungen
7.0
Verarbeitung
9.0
Preis/Leistung
8.0
Gesamtwertung
6.9

Wertung:
6.9
von 10
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Zum Inhalt:

Fernab der Großstadthektik, tief im Herzen des American Heartland, dreht sich die Uhr langsamer und die Geheimnisse wiegen schwerer. Trevor und sein kleiner Bruder Will wachsen auf einer abgelegenen Farm auf, zusammen und doch getrennt. Denn Will, riesengroß und körperlich entstellt, wird wie viele andere Kinder seiner Art in der Ortschaft Gristlewood Valley vor der Außenwelt versteckt gehalten. Als Trevors alkoholkranker Vater versucht, den "Freak" der Familie umzubringen, beschließen die Kinder, gemeinsam zu fliehen - mitten hinein in das Herz Amerikas.

Meinung:

Beim Namen "Steve Niles" denken Comic-Leser vermutlich zuerst an grausame Horror-Storys: Der Autor hat sich vor allem mit seiner in Alaska angesiedelten Vampir-Saga "30 Days of Night" einen Namen gemacht, die 2007 u.a. mit Josh Hartnett verfilmt wurde. Dass er auch weniger blutrünstige Geschichten verfassen kann, zeigt er in "Freaks of the Heartland" - doch auch hier findet die Handlung in der tiefsten Provinz statt. Zusammen mit dem Zeichner Greg Ruth entwirft Niles ein Bild vom ländlichen Amerika, in dem sich der junge Trevor gewiss über seine weitgehend freudlose Kindheit beklagen würde, wenn er nicht tagtäglich erleben müsste, dass es seinem jüngeren Bruder Will, der unter schweren Missbildungen leidet, noch viel schlechter ergeht: Der Sechsjährige wird nämlich seit seiner Geburt wie ein Tier in der Scheune versteckt gehalten.

Eine der größten Stärken von "Freaks of the Heartland" ist vermutlich die Zeitlosigkeit, die Steve Niles dem Geschehen verliehen hat: Es ist für den Leser nahezu unmöglich zu sagen, wann die Geschichte tatsächlich spielt; die Handlung könnte jederzeit innerhalb der letzten 75 Jahre stattgefunden haben. Damit demonstriert Niles, mit welcher Gründlichkeit sich eine Gemeinschaft vom Rest der Welt abschotten kann, wenn sie es nur darauf anlegt und sich in der geeigneten geografischen Lage befindet. Und er zeigt, welchen Einfluss die wenigen, die beschlossen haben, dass niemand über den Tellerrand sehen darf, dadurch auf das Leben der übrigen Bewohner dieses Mikrokosmos gewinnen können.

Das Schicksal der Kinder berührt den Leser durchaus: Der alkoholkranke, tyrannische Vater zwingt Trevor dazu, sich um den weggesperrten und kaum zur Sprache fähigen Will zu kümmern. Und obwohl Trevor sich in gewisser Weise durchaus vor seinem entstellten Bruder fürchtet, ist Will doch der einzige Freund, den er in diesem einsamen Landstrich hat. Dieses starke emotionale Band zwischen den ungleichen Brüdern ist rührend dargestellt, auch wenn das Konzept vom äußerlich entstellten "Freak" voller Herzensgüte nicht gerade originell ist - die Vorlagen reichen von Victor Hugos "Glöckner von Notre Dame" über Frankensteins Geschöpf bis hin zu realen Personen wie dem "Elefantenmenschen" Joseph Merrick. Der missgebildete, aber bärenstarke Will kann diesem Figurentypus kaum neue Aspekte hinzufügen, auch wenn er über einige ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt, die allerdings in einigen Szenen dafür sorgen, dass der Sechsjährige unpassend altklug wirkt.

Abgesehen von dieser emotionalen, ja beinahe schon sentimentalen Komponente weist die Geschichte leider recht wenig Substanz auf. Der Aufbruch der Jungs wird spontan und sozusagen im Affekt umgesetzt, und den Rest des Bandes füllt die Flucht von Will und Trevor, die nur wenige Umwege nimmt und erst im letzten Drittel durch ein recht drastisches strategisches Manöver, mit dem die Brüder ihre Verfolger abzuschütteln versuchen, an Dramatik gewinnt. Was dem Autor besonders schwerwiegend anzukreiden ist: Die übrigen Personen, die nach und nach zu der Flüchtlingsgruppe hinzustoßen, bleiben unverständlicherweise deutlich untercharakterisiert, obwohl einige dieser Figuren sicher auch das Potenzial für herzergreifende Nebengeschichten besessen hätten.

Greg Ruth besitzt einen sehr flüssigen Tusche-Stil, der in seinen besten Momenten viel Ausdrucksstärke besitzt, insgesamt aber etwas zu unstet ist, um durchweg zu begeistern. Gerade mit Will hat er große Schwierigkeiten, da dessen Proportionen auf fast jedem Bild anders aussehen als zuvor. In den Kommentaren zu seinen Skizzen, die neben exklusiven Interviews mit Niles und Ruth den Anhang des verlagstypisch edlen A5-Hardcover-Bandes bilden, gibt der Zeichner dann auch unumwunden zu, den Charakter nie völlig in den Griff bekommen zu haben. Einzig bei Trevor scheint es kein "Glücksfall" zu sein, wenn Ruth Proportionen und Ausdruck überzeugend trifft; hier legt er eine Konstanz an den Tag, die man sich auch für die übrigen Zeichnungen gewünscht hätte. Die aquarellhaften, aber dennoch kräftigen Farben sind allerdings durchweg äußerst stimmungsvoll und bewegen sich vorwiegend im gelblich-hellbraunen Spektrum, was einerseits ein wenig an den Sepia-Ton alter Fotografien erinnert, andererseits aber vielen Akteuren einen "ungesunden" Anstrich gibt und so subtil auf die Verdorbenheit der dargestellten Welt verweist.

Fazit:

In "Freaks of the Heartland" zeigt sich Horror-Experte Steve Niles einmal von einer etwas besinnlicheren Seite, auch wenn die Geschichte um die Flucht der zwei ungleichen Brüder Trevor und Will durch die tiefste Provinz Amerikas durchaus einige Gewalt-Momente enthält. In atmosphärischer und emotionaler Hinsicht weiß das Drama um Unverständnis und Unterdrückung durchaus zu gefallen, was auf visueller Ebene vor allem durch die stimmungsvolle Farbgebung erreicht wird. Inhaltlich verschenkt die Geschichte jedoch leider viel von ihrem Potenzial, und auch die Zeichnungen wirken mitunter etwas zu unbeholfen und unstet, um ein uneingeschränktes Lob zu verdienen. Somit ist "Freaks of the Heartland" vor allem für Leser geeignet, die eine rührende Geschichte mit vereinzelten Schockmomenten erleben möchten, ohne dabei übermäßig zum Nachdenken angeregt zu werden.

 
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